Bilz-Preisverleihung am 07. November 2024
Preisträger
Laudatorinnen
Mariam Claren und Düzen Tekkal
Begrüßungsrede von Hans-Peter Killguss und Çiler Fırtına
Rede von Hans-Peter Killguss und Çiler Fırtına anlässlich der Verleihung des Bilz-Preises 2024 an den Verein „Stimmen der Solidarität - Mahnwache Köln“.
Hans-Peter Killguss, stellv. Vorsitzender
Liebe Preisträger, liebe Gäste, lieber Fritz
wir freuen uns sehr, dass wir als Vorsitzende der Bilz-Stiftung heute hier stehen und den Preis an den Verein „Stimmen der Solidarität – Mahnwache Köln e.V.“ verleihen dürfen.
Als ich mir den heutigen Termin vergegenwärtigt habe, sind mir nicht nur der Anlass und der Preisträger als Gegenstand einer Rede in den Sinn gekommen, sondern auch zwei weitere ganz offensichtliche Aspekte: Nämlich Zeit und Ort.
Zum ersten das Datum: Heute ist der 7. November. Heute findet zeitgleich zu unserer Veranstaltung ein Schweigegang statt, der an die Reichspogromnacht am 9. November erinnert. (Das wussten wir noch übrigens noch nicht, als wir den Termin festgesetzt hatten.)
Die Reichspogromnacht bildete den vorläufigen Höhepunkt einer ab 1933 organisierten Diskriminierung und Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung. Damit setzte eine neue Welle der Verfolgung ein, die schließlich mit der Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden endete.
Dieses Gedenken schlägt eine Brücke zu uns: Immer wieder wurde der Bilz-Preis auch an Initiativen verliehen, die sich mit historischem oder aktuellem Antisemitismus befassen.
Zum zweiten der Ort: Der Bilz-Preis wurde, seit es ihn gibt, hier im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln verliehen, zu dem Brigitte und Fritz Bilz eine langjährige und intensive Beziehung in ihren vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten hatten.
Ich freue mich darüber, denn ich finde, dass der Bilz-Preis hier in diese Räumlichkeiten gehört. Und nicht deshalb weil aus der Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte automatisch ein „Nie wieder!“ erfolgt und sich daher das Engagement gegen Rassismus, Antisemitismus und Menschenrechtsverletzungen quasi wie von selbst ergibt. Ich erlebe es vielmehr so, dass mit der Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen auch ein Nachdenken über die Entstehung von Terror und Gewalt einsetzt.
Wenn wir mit der heutigen Preisverleihung den Bogen zu anderen, vielleicht gegenwärtigen, Verbrechen schlagen, bedeutet das keineswegs die Komplexität der geschichtlichen Ereignisse zu ignorieren oder die Singularität des Holocausts in Frage zu stellen. Es bedeutet vielmehr ein Nachspüren von Differenzen und Korrespondenzen.
Die Shoah, der Porajmos und andere von den Nationalsozialisten und ihren Kollaborateuren begangene Verbrechen bedeuteten die radikale Negation der Gleichheit der Menschen. Das Wissen darüber kann uns sensibel dafür machen, was ein Angriff auf die universale Gültigkeit der Menschenrechte bedeuten kann.
Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit kann ebenso ein Bewusstsein dafür fördern, dass das Schweigen und die Untätigkeit in Zeiten des Unrechts fatale Folgen haben können. Wir müssen den Mut aufbringen, uns gegen Ungerechtigkeiten zu erheben, auch wenn es unbequem ist. Jeder von uns hat die Verantwortung, sich für eine gerechtere und menschlichere Welt einzusetzen.
Genau das tut „Stimmen der Solidarität“, das tut die Laudatorin Mariam Claren, der ich an dieser Stelle auch nochmal ausdrücklich für ihr Kommen danken möchte, und das tat auch einer, von dem ich mir wünschen würde, dass er heute mit uns wäre: nämlich Doğan Akhanlı. Viele im Saal kennen ihn auch, denn er war auch ein Mitstreiter von „Stimmen der Solidarität“.
Nach seiner Flucht aus der Türkei, aus der er Anfang der 1990er Jahre aufgrund seines Engagements vertrieben wurde, kam er nach Köln und hat sich vielfach mit der deutschen und der türkischen Geschichte und ihren Verflechtungen befasst – und zwar ohne falsche historische Vergleiche, ohne Opferkonkurrenzen und ohne Zweifel an der Präzendenzlosigkeit der Shoah. In einer seiner Reden in diesem Raum hier, hat er erzählt, dass er sich erst durch die Beschäftigung mit der deutschen Geschichte mit der Geschichte der Türkei und dem Genozid an den Armeniern oder der Vertreibung der Pontos-Griechen befasst habe.
In einem Aufsatz für das Jahrbuch des Fritz Bauer Instituts schrieb er im Jahr 2006 unter dem Titel „Meine Geschichte – ‚unsere‘ Geschichte“ über seine türkischsprachigen Führungen im NS-DOK:
„Im Laufe der Zeit habe ich immer mehr versucht, die NS-Geschichte nicht als deutsche Geschichte, sondern als Beziehungsgeschichte zu erzählen, um Raum zu schaffen für folgende Fragen: Was kann die deutsche Geschichte türkischsprachigen Bürgern sagen? Und umgekehrt: Was hat ‚unsere‘ armenisch-türkisch-kurdische Geschichte mit ‚uns‘ Deutschen zu tun? Kann man internationale Vergleiche ziehen? Ist Antisemitismus nur ein Problem der ‚Mehrheitsgesellschaft‘?
Wie werden aus ‚normalen‘ Menschen Täter gemacht? Ist es weil ‚wir‘ als Türken öfter Opfer von Rechtsextremismus- und Neonazis-Anschlägen sind, ausgeschlossen, dass ‚wir‘ auch Täter oder potentielle Täter gegenüber anderen Minderheiten, zum Beispiel Armeniern oder Kurden, sein können? Welche Hinweise gibt es für die Entstehung von Rassismus, und wohin führt er?“
Ich glaube, dass wir nicht auf alle diese Fragen gleich Antworten geben können. Doğan hat versucht, „durch einen respektvollen Umgang mit vergangenen Gewalterfahrungen und Menschenrechtsverletzungen“, wie er schreibt, „Lernprozesse zu fördern“.
Es blieb aber nicht beim Reden und Lernen. Er hat sich aus seinen persönlichen Erfahrungen heraus (er wurde ja 2017 nochmals verhaftet) gegen Rassismus und die Unterdrückung von Minderheiten eingesetzt.
In einem seiner letzten Interviews sagte er ganz zum Schluss:
„Ich wünsche mir eine andere Politik von der deutschen Regierung, also mehr Solidarität mit Bürgern, die sich für Menschenrechte und Demokratie einsetzen.“
Dieser Forderung können wir uns nur anschließen.
Çiler Fırtına, Vorsitzende
Doch leider sind die deutsche Politik und auch die deutsche Gesellschaft weit von Doğans Wunsch und Forderung entfernt. In diesen Tagen erleben wir wieder einmal, wie Menschenrechte hinter politischen und wirtschaftlichen Interessen zurückgestellt und diesen Interessen geopfert werden.
Wir erleben, wie Menschenrechte, wie durch unser Grundgesetz verbriefte demokratische Grundrechte, wie das Recht auf Asyl, dem Druck von rechtspopulistischen und rechtsextremen politischen Parteien und Kräften geopfert werden.
Ich zitiere aus der Wirtschaftswoche:
Nach jahrelanger Zurückhaltung lässt die Bundesregierung wieder in größerem Stil Rüstungsexporte in die Türkei zu. In diesem Jahr wurden bis zum 13. Oktober bereits 69 Genehmigungen im Wert von 103 Millionen erteilt. […] Damit liegt der Wert der für die Türkei genehmigten Exporte erstmals seit 2011 wieder im dreistelligen Millionenbereich. […] Noch nicht in die Statistik eingeflossen sind offenbar eine Reihe von Exporten, über die Wirtschaftsminister Robert Habeck am 30. September den Wirtschaftsausschuss des Bundestags informiert hat. In einem Schreiben an die Abgeordneten teilte er mit, dass der Bundessicherheitsrat den Unternehmen Thyssenkrupp […] den Export von 28 Torpedos des Typs Seahake (Seehecht) inklusive Zubehör und Ersatzteilen für 156 Millionen Euro genehmigt hat. Außerdem gab das Gremium, das unter Leitung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geheim tagt, grünes Licht für die Lieferung von 101 Lenkflugkörpern […]
Die Türkei will unter anderem 40 Eurofighter-Kampfjets kaufen, die von Deutschland mitproduziert werden.
Ich frage: Warum? Warum wird die Türkei so aufgerüstet?
Damit die deutsche Rüstungsindustrie noch mehr Umsätze macht?
Damit der Schleusenwärter Erdogan keine Flüchtlinge mehr nach Europa lässt? Damit aus der Türkei Geflüchtete im großen Stil zurückgeschickt werden können? Damit Rechtsextremen und Rechtspopulisten so die Argumente aus der Hand genommen werden?
Der Autokrat Erdogan, der schon seit Jahren per Dekret regiert und damit das Parlament faktisch ausgehebelt hat; der gewählte Bürgermeister*innen absetzt, verhaften lässt und als Terroristen anklagt; der alle seine Gegner als Terroristen diffamiert und am liebsten einsperren würde; der selbst den Istanbuler Oberbürgermeister Imamoglu mit einem Politikverbot belegen und so als Konkurrent loswerden möchte; der die Hamas als eine Befreiungsorganisation bezeichnet und unterstützt; der sich Putin anbiedert; der jeden, der sich kritisch gegen ihn und gegen sein Regime und seine Machenschaften äußert, ins Gefängnis steckt oder mit einem Ausreiseverbot belegt – dieser brandgefährliche Autokrat wird durch die deutsche Regierung gestärkt – mit schmutzigen Flüchtlingsdeals, mit Rüstungsexporten, mit politischer Unterstützung durch Staatsbesuche vor allen Wahlen. Diese Politik hat Tradition, das war unter Merkel so, und das ist auch unter Scholz so.
Schauen wir uns nun einmal die deutschen Beziehungen zum Iran an.
Ich zitiere aus der Webseite des Auswärtigen Amtes:
(7.10.24 – https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/iran-node/bilaterale-beziehungen/202402 )
Die deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen waren lange eng. Im Jahr 2023 betrug das Außenhandelsvolumen jedoch nur noch ca. 1,44 Mrd. Euro und lag damit rund 40% unterhalb des Niveaus von 2015, als die bis dato umfassendsten EU-Wirtschafts-sanktionen gegen Iran in Kraft waren (2015: 2,38 Mrd. Euro).
Die deutschen Exporte nach Iran beliefen sich 2023 auf rund 1,2 Mrd. Euro (-24% ggü. 2022). […] Iranische Exporte nach Deutschland betrugen 2023 rund 244 Mio. Euro (-18% ggü. 2022) […] Iran stand damit 2023 an 77. Stelle der deutschen Außenhandelspartner (2022: 74).
Das waren viele wichtige Zahlen. Jetzt kommen noch ein paar wichtige Zahlen, und zwar die der Hinrichtungen im Iran.
Im Jahr 2015 wurden im Iran 972 Menschen hingerichtet. Im Jahr 2023 waren es 834 Menschen. Die meisten von ihnen junge Menschen, die sich gegen das Mullah-Regime stellten, junge Männer und Frauen, die ein bisschen Freiheit wollten.
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1454916/umfrage/hinrichtungen-im-iran/
Dass in beiden Staaten, in der Türkei ebenso wie im Iran, Demokratie, Menschenrechte, Meinungsfreiheit, Frauenrechte nicht existieren, ist allgemein bekannt.
Dass beide Staaten keine Rechtsstaaten sind, dass es keine unabhängige Justiz gibt, ist ebenfalls allgemein bekannt.
Dass in beiden Staaten Menschen aus der Bundesrepublik Deutschland, ob deutsche Staatsbürger oder nicht, willkürlich festgehalten werden, nicht ausreisen dürfen, verhaftet werden, lange ohne Anklage in Untersuchungshaft bleiben, gefoltert und misshandelt werden, zu Haftstrafen verurteilt werden, trotz schwerer Erkrankung nicht aus der Haft entlassen werden – all das ist nicht allgemein bekannt!
Nur durch Organisationen wie Stimmen der Solidarität und Menschenrechtsaktivist*innen wie Mariam Claren werden diese „Fälle“ öffentlich bekannt. Ohne die öffentliche Bekanntheit und den dadurch entstehenden öffentlichen Druck setzt sich die Politik nicht für diese Menschen ein.
Erinnern Sie sich an die Solidaritätsaktionen für Dogan Akhanli, als er im Jahr 2010 in der Türkei verhaftet wurde?
Albrecht Kieser, Berivan Aymaz, Ilias Uyar und viele andere Kölnerinnen und Kölner haben damals in einer bis dahin nie dagewesenen Art und Weise für Öffentlichkeit gesorgt und die Politik dazu gedrängt, sich für die Freilassung von Dogan einzusetzen.
Das war die Blaupause für die Aktionen für Adil Demirci und Hozan Cane, die beide im Jahr 2018 in der Türkei verhaftet wurden und ein bzw. zwei Jahre im Gefängnis waren.
Diese Beispiele zeigen uns, wie wichtig eine aktive, kritische, fordernde Zivilgesellschaft für Menschenrechte, für Demokratie und für Rechtsstaatlichkeit ist!
Mit dem Bilz-Preis an Stimmen der Solidarität – Mahnwache Köln e.V. möchten wir diese wertvolle Arbeit würdigen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Laudatio von Mariam Claren
Laudatio von Mariam Claren für den Preisträger Stimmen der Solidarität – Mahnwache Köln e.V.
Als meine Mutter im Oktober 2020 in der Islamischen Republik Iran verhaftet wurde, war ich verzweifelt. Das Auswärtige Amt hatte mir empfohlen nicht an die Öffentlichkeit zu gehen – ich hatte mich aber entschlossen mich dem zu widersetzen und stand noch ganz am Anfang meiner Kampagne. Zu diesem Zeitpunkt waren politische Gefangene und fehlende Rechtstaatlichkeit in autoritären Ländern etwas, was ich nur vom Hören kannte und nicht einordnen konnte.
Auf der Suche nach Organisationen, die mir helfen Öffentlichkeit zu schaffen, empfahl mir ein Freund die „Stimmen der Solidarität“. Als ich Kontakt zum Verein aufnahm, haben die Mitglieder mich sofort eingeladen, hörten meine Geschichte und fortan war meine Mutter Nahid Taghavi Teil der politischen Gefangenen, für die der Verein sich einsetze.
Was nach einer gewöhnlichen Menschenrechtsarbeit klingt, ist in Wirklichkeit viel mehr als das. Es ist die Beruhigungstablette die Betroffene im Kampf um Gerechtigkeit und Freiheit für ihre Liebsten brauchen. Sie brauchen Gehör, sie brauchen eine Bühne, sie brauchen Solidarität.
Stimmen der Solidarität bietet Betroffenen nicht nur eine Heimat für ihre Bedürfnisse, sondern wirft ein Scheinwerferlicht in die dunklen Gefängniszellen und Menschenrechtsverletzungen von Unrechtsstaaten wie der Türkei. Durch ihre Arbeit schafft der Verein nicht nur Öffentlichkeit, sondern bietet der deutschen Zivilgesellschaft einen niedrigschwelligen Zugang in ein komplexes und belastendes Thema. Durch das Festival der Solidarität, welches jährlich stattfindet, bittet der Verein Raum für kulturelle Darbietungen und politische Diskussionen.
Legendär sind die Mahnwachen, die jeden 1. Mittwoch im Monat am Bahnhofsvorplatz stattfinden. Bei Wind und Wetter, wird kontinuierlich auf Fälle politischer Gefangener aufmerksam gemacht und ihren Familien die Möglichkeit gegeben zu Wort zu kommen. Gestern fand die 126. Mahnwache statt. An der Stelle ein großes Danke für diese Beharrlichkeit und Kontinuität.
Wir haben hier das große Privileg auf die Straße gehen zu können und zu protestieren ohne Gefahr zu laufen für unseren Aktivismus verhaftet zu werden – ein Privileg, dass in Ländern wie beispielweise der Islamischen Republik Iran mit Verhaftung, Folter und Gefängnis bestraft wird.
Danke an Stimmen der Solidarität, dass ihr genau diese freiheitlichen und demokratischen Werte aufrechterhaltet und die Willkür von Unrechtsregimen der Öffentlichkeit vor Augen führt. Euer Name ist wahrlich Programm.
Ich gratuliere auch im Namen der politischen Gefangenen in Iran und deren Familien von ganzem Herzen zum Bilzpreis 2024.
Rede von Adil Demirci
Rede von Adil Demirci zur Bilz-Preisverleihung am 07. November 2024
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich freue mich sehr, heute hier vor Ihnen stehen zu dürfen, und möchte zunächst meinen herzlichsten Dank aussprechen. Unser besonderer Dank gilt dem Stifter dieses Preises, Fritz Bilz, sowie Ciler und Hans-Peter, die uns als Vorstand tatkräftig unterstützen. Auch dem Direktor des NS-Dok Zentrums, Dr. Stefan Mühlhofer, und natürlich Mariam Claren, die mit ihrem Engagement dazu beigetragen haben, dass wir heute hier zusammenkommen. Danke Ihnen allen, und danke auch an jede und jeden Einzelnen von Ihnen, die Sie hier sind, um diesen besonderen Moment mit uns zu teilen.
Dieser Preis ist für uns von großer Bedeutung. Er würdigt nicht nur unsere Arbeit, sondern gibt uns auch die Kraft und die Mittel, unsere Projekte weiter voranzutreiben. Unsere Arbeit ist oft kein leichter Weg, doch Solidarität braucht eine verlässliche Grundlage, die uns unterstützt und bestärkt.
Die finanzielle Unterstützung, die wir mit diesem Preis erhalten, wird direkt in unsere Solidaritätsarbeit mit politischen Gefangenen fließen. Unser Verein ist rein ehrenamtlich tätig, und solche Beiträge sind eine wertvolle Hilfe für die Umsetzung unserer Projekte, wie etwa das „Festival der Solidarität“, das bereits seit drei Jahren unter der Schirmherrschaft der Oberbürgermeisterin Henriette Reker stattfindet.
Dieses Festival gibt politischen Gefangenen und ihren Familien eine Stimme und macht auf ihre Anliegen aufmerksam. Doch es ist viel mehr als ein Event: Es ist ein Zeichen des Zusammenhalts und der Hoffnung, die über nationale Grenzen hinweg reicht.
Neben dem Festival gehören auch unsere Postkarten-Aktion und die Mahnwachen zu unseren ständigen Aktivitäten. Durch diese Aktionen geben wir politischen Gefangenen und ihren Familien eine Stimme und schaffen einen Raum, in dem Betroffene zu Wort kommen und sich gegenseitig unterstützen und austauschen können.
Unser Verein ist aus einer sehr persönlichen Erfahrung heraus entstanden: Nach zehn Monaten willkürlicher Haft in der Türkei durfte ich zur Beerdigung meiner Mutter zurück nach Köln reisen. Fünf Jahre später forderte die türkische Staatsanwaltschaft in meinem Fall „Freispruch“ – Sie haben richtig gehört: die Staatsanwaltschaft selbst. Dieser Ausgang zeigt, wie willkürlich und oft haltlos politisch motivierte Verfahren in der Türkei ablaufen. Während meiner Inhaftierung hielten meine Familie, Freunde und Unterstützer insgesamt 62 Mahnwachen für mich ab.
Nach meiner Rückkehr beschlossen wir gemeinsam, einen Verein zu gründen, um die Solidaritätsarbeit auszuweiten. Es war uns klar, dass ich nicht der erste Fall war und leider auch nicht der letzte sein würde. So entstand unser Verein Stimmen der Solidarität – Mahnwache Köln mit großer Entschlossenheit und Freude daran, etwas zu bewirken.
In unserer Arbeit stoßen wir immer wieder auf neue Herausforderungen.
Ein Beispiel ist aktuell der Fall aus Euskirchen: Vor wenigen Wochen wurden dort drei Geschwister, deutsche Staatsbürger*innen mit kurdischem Hintergrund, in der Türkei verhaftet, nachdem sie ihre kranke Mutter besuchen wollten. Nun sind sie dort mit denselben Vorwürfen in Untersuchungshaft. Eine der drei Geschwister war hier in Köln als Ratsmitglied für die Linke aktiv; unser Vereinsmitglied Sabine kennt sie aus der gemeinsamen politischen Arbeit vor Ort.
Auch heute sind hier Menschen mit ähnlichen Erfahrungen, die ebenfalls für ihren Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit festgenommen wurden oder unter Repression leiden. Ich möchte hier besonders Hozan Cane und ihre Tochter Dilan Örs, Mahmut Günes aus Bochum, Hamide Akbayir, Yüksel Wessling aus Bonn und natürlich Mariam Claren nennen. Diese Menschen sind in unserer Solidaritätsarbeit fest verankert, und ihre Geschichten zeigen uns, wie wichtig es ist, sich für die Rechte aller politisch Verfolgten einzusetzen und diese Arbeit kontinuierlich fortzusetzen.
Solidarität ist ein langer Weg, der viel Kraft und Entschlossenheit erfordert. Sie alle, die heute hier sind, sind Teil dieser Reise. Wir sind dankbar für jede Unterstützung, die es uns ermöglicht, unsere Arbeit fortzuführen und das Bewusstsein für die Situation politischer Gefangener zu schärfen.
Nochmals herzlichen Dank für Ihr Kommen und Ihre Unterstützung. Ich wünsche uns allen nun eine inspirierende Zeit und viel Freude mit der Musik von Serdar und Hozan Cane sowie angeregte Gespräche.
Vielen Dank!
Presemitteilung
Presseeinladung zur Bilz-Preisverleihung 7.11.2024
Die 1998 in Köln von Fritz und Brigitte Bilz gegründete Bilz-Stiftung zeichnet alljährlich eine gemeinnützige Organisation aus, die sich der Völkerverständigung widmet, sich aktiv für poli- tisch, rassistisch oder religiös Verfolgte und gegen die Diskriminierung von Minderheiten ein- setzt oder die Demokratie stärkt. Darüber hinaus unterstützt Sie mit finanzieller Förderung ebensolche Aktivitäten von Vereinen und Initiativen.
Der mit 5000 Euro dotierte Bilz-Preis wird dieses Jahr zum 26. Mal vergeben. Preisträger ist der Verein „Stimmen der Solidarität – Mahnwache Köln e.V.“
Stiftungsvorsitzende Çiler Fırtına begründet die Entscheidung des Vorstands:
„Mit bisher 125 Mahnwachen auf dem Bahnhofsvorplatz und dem Wallraffplatz, 5 Festivals der Solidarität, Briefaktionen, Lesungen, Ausstellungen und anderen öffentlichkeitswirksamen Akti- onen verschafft der Verein den in der Türkei und im Iran willkürlich verhafteten Menschen aus Deutschland öffentliche Aufmerksamkeit und schärft damit gleichzeitig unser Bewusstsein für die große Bedeutung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Angesichts der politischen Ent- wicklungen in Deutschland ist dieses zivilgesellschaftliche Engagement wichtiger denn je.“
Die Gründung des Vereins geht auf eine zivilgesellschaftliche Initiative für den Kölner Sozial- wissenschaftler Adil Demirci zurück, der im April 2018 aufgrund willkürlicher Anschuldigungen festgenommen wurde und über zehn Monate im Hochsicherheitsgefängnis saß. Nach über vier- zehn Monaten konnte Demirci wieder nach Köln zurückkehren. Sein Schicksal ist leider kein Einzelfall. Aus der Initiative für Adil Demirci ist der Verein „Stimmen der Solidarität“ entstanden.
Die Laudatio werden die Menschenrechtsaktivistinnen Düzen Tekkal und Mariam Claren halten. Düzen Tekkal ist Fernsehjournalistin und Gründerin der Menschenrechts-NGO hawar.help. Mariam Claren ist die Tochter der im Iran inhaftierten Kölnerin Nahid Tagavi und eine der Initiatorinnen des Patenschaftsprogramms für politische Gefangene im Iran.
Zur Berichterstattung bei der Preisverleihung sind Sie herzlich eingeladen.
Donnerstag, 7. November 2024, 18 Uhr NS-Dokumentationszentrum Veranstaltungsraum, 2. OG
Appellhofplatz 23-25, 50667 Köln
Der Vorstand der Bilz-Stiftung wie auch Mitglieder des Preisträgers stehen für Interviews zur Verfügung. Fotos können bei der Veranstaltung gemacht werden. Gerne stellen wir im Nach- gang auch Fotos zur Verfügung.
- Bilz-Preis Zeitleiste