Bilz-Preisverleihung am 2. Dezember 2010
Preisträger
Laudator
Begrüßungsrede von Fritz Bilz
Rede zur Bilz-Preisverleihung am 2. Dezember 2010 von Fritz Bilz
Lieber Konni Gilges,
sehr geehrter Herr Bettermann,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde
Im Namen der Bilz-Stiftung möchte ich Sie ganz herzlich begrüßen.
Wir verleihen heute den Bilz-Preis in Höhe von 5.000 Euro an eine Organisation, die sich seit über 30 Jahren hervorragend um die Integration ausländischer Kinder in Köln kümmert.
Die Worte Integration und multikulturelle Gesellschaft sind zur Zeit geprägt – hochgeputscht durch das Buch von Herrn Sarrazin – von einem hochemotionalen Diskussionsprozess, der die Arbeit der vielen Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, negativ bewertet und die schon erzielten Erfolge gefährdet.
Unverständlich ist dabei für mich, wie fast die gesamten Printmedien aber auch Funk und Fernsehen Thilo Sarrazin gegenüber Dankbarkeit äußern, dass er damit ein lange verdrängtes Problem – nämlich die gescheiterte Integration einer großen Gruppe von Migranten – wieder in den öffentlichen Diskurs geholt hat.
Dieses von Menschenverachtung, Rassismus und Kulturimperialismus strotzende Machwerk soll ein positiver Beitrag zur Diskussion über Integration sein?
Wird demnächst ein antisemitisches Pamphlet dankbar in den Medien kommentiert, weil damit endlich die längst fällige Diskussion über Antisemitismus angestoßen wird?
Ehrlich gesagt, ich verstehe diese Medien nicht. Ich vermute, dass die meisten Journalisten dieses Buch nicht gelesen haben. Ich habe mich dieser nicht angenehmen Aufgabe unterzogen und habe dieses Buch von Beginn bis zum Ende gelesen. Danach verstehe ich noch weniger, wie diese Publikation einen wichtigen Diskussionsprozess angestoßen haben soll. Eher das Gegenteil ist der Fall. Vorurteile wurden verstärkt, Ängste geschürt.
Dies zeigen einige Zitate aus dem Buch.
Die vielen Erfolge haben die „Sehschärfe der Deutschen getrübt für die Gefährdung und Fäulnisprozesse in Inneren der Gesellschaft“.
„Das deutsche Volk verliert immer mehr an Intelligenz, weil die intelligenten Frauen weniger oder keine Kinder bekommen.“
„Falls sich der Trend fortsetzt, werden in Deutschland in 100 Jahren noch 25 Millionen Deutsche, in 200 Jahren noch acht Millionen, in 300 Jahren noch drei Millionen leben und in 500 Jahren sind die Deutschen abgeschafft.“
Die Schuldigen für diese Degeneration des Deutschen Volks benennt Sarazin auch:
„Da sich die Migrantengruppen, speziell die aus der Türkei, dem Mittleren und Nahen Osten und Afrika überdurchschnittlich vermehren, werden die Entwicklungsaussichten Deutschlands schlechter, Deutschland wird dümmer.“
„Diese Migranten, die fast alle in der Unterschicht sind, sind dort, weil sie weniger tüchtig, weniger robust und ein bisschen dümmer und fauler sind.“
„Diese Migrantengruppen haben besonders viel Kinder, die bildungsfern sind.“
„Je mehr Kinder in diesen Unterschichtenfamilien sind, desto dümmer sind sie.“
„Die Araber bekommen deshalb so viele Kinder, weil sie dadurch mehr Sozialleistungen bekommen. Und die in den Familien oft eingesperrten Frauen haben ja kaum etwas anderes zu tun.“ (als Kinderkriegen, F.B.).
„Falls es dort aber unerwarteter Weise wirklich Tüchtige gibt, lassen die sich auch nicht durch ungünstige Umstände abschrecken. Dadurch entleeren sich diese Unterschichten immer mehr deren intellektuellen Potentials.“ Das heißt, sie werden noch dümmer, so mein Schluss aus dieser These.
„Nur mit den Migranten aus der Türkei und dem Mittleren und Nahen Osten, die zu 95 Prozent Muslime sind, haben wir Integrationsprobleme.“
„Die muslimischen Arbeitslosen integrieren sich nicht, im Gegensatz zu den christlichen Arbeitslosen, die arbeitswillig sind.“
„Diskriminierung scheidet als Grund für die mangelnden Erfolge der muslimischen Migranten in Bildung und Beschäftigungssystem aus. Es wird genug angeboten, aber wenig angenommen.“
„Wegen ihrer hohen Fruchtbarkeit sind sie eine Bedrohung für das kulturelle und zivilisatorische Gleichgewicht im alten Europa.“
„Wirtschaftlich braucht Europa die muslimischen Migranten nicht, sie kosten nur Geld.“
„Wir müssen nicht anerkennen, dass der Islam Teil unserer und der europäischen Gesellschaft ist.“
So weit die Zitate. Er schlägt nun zum einen einen vollständigen Zuziehungsstopp für muslimische Migranten und zum anderen ein Streichen der Regelförderung für die hier lebenden arbeitsfähigen muslimischen Migranten vor, die nicht arbeiten.
Parallel dazu wird ein deutsches Leitbild konstruiert, das auf christlich-jüdischen Wurzeln fußt. Seit einem Jahr werden den christlichen Wurzeln die jüdischen hinzugefügt. Das gab es vorher nicht. Man möchte wohl die deutschen Jüdinnen und Juden mit dabei haben, wenn es um das Bekämpfen der muslimischen Migranten geht. Das haben jedoch viele jüdische Intellektuelle und Journalisten bemerkt und gehen dieser Umarmungstaktik nicht auf den Leim. Betrachtet man einmal die deutsche Geschichte über die letzten Jahrtausende wird man feststellen, dass diese Verknüpfung auch nicht stimmt.
Denn seit 1.000 Jahren wurden in Europa aber speziell in Deutschland Juden verfolgt, es gab viele Pogrome. Man schloss sie die meiste Zeit aus der Gesellschaft aus. Einflüsse auf unsere Kultur konnten sie nur marginal nehmen.
Stattdessen haben wir viel Kulturgut aus dem arabischen Raum übernommen. Deswegen wäre historisch korrekter, dass wir christlich arabische oder sogar christlich mohammedanische Wurzeln haben. Ich will dies in einem kurzen Diskurs aufzeigen.
Von 750 bis 1250 nach unserer Zeitrechnung lag das kulturelle Zentrum des gesamten Mittelmeerraumes einschließlich Europa von Kunst, Kultur, Wissenschaft, Forschung, Technik und Handel in der islamischen Welt. In dieser Zeit war das Mittelmeer fast ein Binnenmeer dieses Kuturkreises.
Mohammedanische Wissenschaftler übersetzten das erste Mal die griechischen Klassiker in europäische Sprachen und machten sie dadurch erst hier bekannt.
Im 9. Jahrhundert übertrug ein islamischer Mathematiker ein Zahlensystem aus Indien in unseren Kulturkreis. das Dezimalsystem, das die Null kennt. Bis dahin wurde mit römischen Zahlen gerechnet. Damals blühte die mathematische, chemische und astronomische Wissenschaft: Dies zeigt sich auch darin, dass Algebra, Alchemie, Alkalien und Alkohol arabische Wörter sind.
Der Perser Ibn Sina verfasste um das Jahr 1000 ein Buch über Heilkunde, das bis ins 17. Jahrhundert das medizinische Standardwerk in ganz Europa war. Der Gipsverband für gebrochene Glieder ist eine arabische Erfindung.
Unter der muslimischen Herrschaft in Südeuropa durften Christen Christen bleiben, Juden Juden. Nach der Zerstörung der muslimischen Herrschaft und der Vertreibung der Mauren aus Südeuropa fing dort die Judenverfolgung an.
So viel zu den christlichen, jüdischen und muslimischen Wurzeln. Zurück zur Integrationsdebatte.
Thilo Sarrazin konnte nur deshalb so punkten, weil er die Ängste von Menschen ausnutzt, die Angst von Menschen vor der Zukunft, die Angst, von Menschen nicht verstanden und nicht gehört zu werden. Diesen Menschen bietet er als Folie ihrer Angst die Ausländer, insbesondere die muslimischen Glaubens an. Die verweigern sich der Integration. „Sarrazin trifft ins Schwarze, weil er braun redet,“ formulierte so treffend der Philosoph Richard David Precht. Ich habe große Lust, einmal die Textpassagen von Sarazin mit Passagen aus Hitlers „Mein Kampf“ zu vergleichen. Ich glaube dort viele Parallelen zu finden, wenn ich das Wort „Juden“ durch „Muslime“ ersetze.
Verweigern sich die muslimischen Migranten sich wirklich? Und sind wir Deutschen ein Musterbeispiel für Integration?
Auf der einen Seite wird dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan vorgeworfen, dass er die Türken in Deutschland auffordert, ihre Identität zu wahren. Dies sei integrationsfeindlich. Auf der anderen Seite subventioniert der deutsche Staat kräftig die Identitätswahrung „deutscher Volksgruppen“ im Ausland mit dem ausdrücklichen Hinweis zur Wahrung und Beibehaltung ihrer „deutschen Identität“.
Da faselt die CDU von Integrationsverweigerern und fordert Schluss mit jeder Toleranz gegenüber diesen Integrationsverweigerern. Auf der anderen Seite würden gerne 20.000 Migranten im Jahre 2009 einen Deutschkurs besuchen, aber es gab für sie keine Kurse. Eine andere Quelle redet sogar von 90.000 Unterversorgten.
Sind dann nicht wir Deutschen die Integrationsverweigerer? Bekommt dann nicht der Satz von Angela Merkel „Multikulti ist gescheitert“ eine ganz andere Richtung? Nämlich dass gewollt ist, dass ein multikulturelles Zusammenleben scheitert.
Nein, ich glaube, wir sind in der Praxis des Zusammenlebens sehr viel weiter, als die Kontroverse erkennen lässt.
Fakt ist, dass weltweit das Zusammenleben verschiedener Kulturen und Religionen zunehmen wird, ob wir das wollen oder nicht. Die Frage ist nur, wollen wir dies positiv begleiten oder bekämpfen? Ich bin für die positive Begleitung. Dies hat sich auch die Bilz-Stiftung als ein Stiftungsziel gesetzt: Kampf gegen Rassenhass und Unterstützung der Initiativen, die sich für Völkerverständigung einsetzen.
Deshalb freuen wir uns, heute ein Institution auszeichnen zu können, die diese Aufgabe sich seit über 30 Jahren auf ihre Fahnen geschrieben hat.
Herr Bettermann ich bitte Sie nun um die Laudatio für den Preisträger des Bilz-Preises 2010.
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