Bilz-Preisverleihung am 13. Dezember 2011
Preisträger
Laudator
Begrüßungsrede von Fritz Bilz
Rede zur Bilz-Preisverleihung am 13. Dezember 2011 von Fritz Bilz
Sehr geehrte Frau Gesthuysen – stellvertretend für die Initiative „Schüler gegen Rechts“
lieber Pfarrer Franz Meurer,
lieber Werner Jung,
als der Vorstand der Bilz-Stiftung im September dieses Jahres beschloss, auf Vorschlag der Informations- und Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus die Kölner Initiative „Schüler gegen Rechts“ mit dem Bilz-Preis 2011 auszuzeichnen, konnten wir nicht ahnen und es lag außerhalb unserer Vorstellungswelt, welche Informationen in den letzten Wochen über rechtsradikalen Terrorakte bekannt wurden. Die norwegischen Anschläge waren uns schon Anlass genug, die Kölner Schülerinitiative auszuzeichnen. Aber die Morde an deutschen Kleinunternehmern aus Migrantenkreisen und einer Polizistin sowie die Anschläge in Köln bestärken uns darin, dass wir die richtige Wahl getroffen haben.
Täglich erfahren wir immer mehr über die Taten und die zunehmende Zahl der Unterstützer. Inzwischen geht man schon von rund 20 beteiligten Terroristen und ihren Helfern aus.
Seit 1992 bis heute steht im jährlich herausgegebenen Verfassungsschutzbericht der Satz „Im rechten Spektrum sind keine terroristische Strukturen feststellbar“, und dies bei über 150 V-Leuten, die auch in den Gruppen und Vorfeldorganisationen der Zwickauer Gruppe tätig waren. Dies allein zeigt die Ineffektivität dieser V-Leute zur Information über die Tätigkeit der Rechtsterroristen. Den meisten Raum in den Verfassungsschutzberichten nehmen die angeblich linksradikalen Taten und Strukturen ein. Das ist um so unverständlicher, als seit der Wende – laut Recherchen der Amadeo-Antonio- Stiftung – 182 Menschen von Neonazis getötet wurden. Die Bundesregierung behauptet bis heute, dass es 47 Menschen sind, die diesen Verbrechen zum Opfer gefallen sind. Aber auch dies steht in krassem Missverhältnis zu dem einen Menschen, der nach Verfassungsschutzbericht einem linken Anschlag zum Opfer gefallen ist. Hätten da nicht alle Alarmglocken klingeln müssen?
Muss man sich an dieser Stelle nicht fragen, ob die Gleichstellung von Links- und Rechtsextremismus nicht falsch ist, denn ihre Motive sind in ihren Auswirkungen vollkommen unterschiedlich. Es ist keine Schande zu diesem Thema „Die Zeit“ vom 24. November 2011 zu zitieren.
„Linksextremismus will gesellschaftliche Güter umverteilen. Rechtsextremismus verachtet Menschen wegen ihren angeborenen Merkmalen, Ethnie, Hautfarbe, Geschlecht. Dies ist die einzige Begründung, diese Menschen zu ermorden. Versucht nicht gerade diese Gleichsetzung der beiden Extremismusausprägungen, den Rechtsextremismus zu relativieren? Während rechtsextreme Argumentationen bis weit in die Mitte der Gesellschaft reichen – siehe Sarazin und seine publizistischen Helfershelfer – wird der Linksextremismus in die Linkspartei und den linken SPD-Rand projiziert. Damit werden die Morde und damit die Bedrohung durch die Rechtsextremen verharmlost und der Kampf dagegen als gleichwertig wie der gegen die linksextremen Vorstellungen dargestellt. Die Einführung der Extremismusklausel ist beredtes Beispiel dafür, wie Menschen- zumeist junge – , die sich gegen den Rechtsextremismus wehren, mit dessen mordenden Vertretern gleichgestellt“ werden.
Ich habe bisher noch nicht davon gehört, dass die V-Leute des Verfassungsschutzes – durch Steuern bezahlt – diese Extremismusklausel unterschreiben mussten. Diese Vorgehensweise der Bundesregierung schwächt den operativen Kampf gegen Rechtsextremismus, denn junge Menschen werden demotiviert, sich gegen dessen Rassismus und Menschenverachtung einzusetzen.
Diese abstruse Politik führt dazu, dass die sächsische Regierung einen Zivilcourage-Preis auslobte, der den Widerstand gegen Neonazis ausdrücklich als „nicht mehr ehrenswürdig“ ausschließt. Hätten wir dieses Kriterium bei der Bilz-Preis-Vergabe zum Maßstab gemacht, hätte Schüler gegen Rechts diesen Preis nicht bekommen. Absonderlicher geht es nicht mehr. Oder vielleicht ist es Methode, um das rechtsradikale Gedankengut hoffähig zu machen. Ließ doch diese Gesellschaft Sarazin gewähren, als Mann der Elite und der SPD die Sprache der NPD in die Mitte der Gesellschaft zu schleppen. Die seine Aufwiegelungsschrift gegen Türken und Muslime, die schlimmste in Deutschland gegen eine religiöse Minderheit seit Hitlers Mein Kampf, zum erfolgreichsten Sachbuch der Nachkriegszeit machte, mit mehr als 1,3 Mio verkauften Exemplaren. Bei den Medien war sein Blick nach rechts en vogue. Sie öffneten die Blätter, um seine Thesen abzudrucken. Das gleiche gilt für die, die ihn in ihre Studios holten und ihm Gelegenheit gaben zu behaupten, er habe nur Statistiken über Integrationsmängel ausgewertet.
Der Jenaer Jugendpfarrer Lothar König, der seit 20 Jahren gegen die rechtsextremen Machenschaften protestiert, ist bis heute für die sächsische Justiz der Feind. Sie ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung, neuerdings wegen „aufwieglerischen Landfriedensbruchs“. In Dresden wurden die Mitglieder der von König betreuten Jugendgemeinde nicht auf den Heidefriedhof gelassen, als sie dort am Jahrestag des alliierten Bombenangriffs auf Dresden mit Hilfe von Kerzen den Schriftzug „Shoa“ aufstellen wollten. Die Nazis ließ man unter dem Schutz der Polizei dort feierlich Kränze mit ihren Hassparolen niederlegen. Lothar König ist von Rechten zusammengeschlagen worden, eine riesige Narbe zeichnet seine Stirn. Die Täter sind bekannt, aber sie wurden nicht zur Rechenschaft gezogen. „Die Störenfriede waren wir, nicht die Nazis“, so die Tochter des Jugendpfarrers, die auch schon zusammengeschlagen wurde.
Opfer und Täter werden vertauscht. Nicht die Neonazis und ihre terroristischen Kampftruppen werden als Täter gesehen, sondern die Menschen, die dagegen auf die Straße gehen. Da handeln übrigens SPD/Grüne, SPD/CDU und CDU/FDP-Regierungen fast im Gleichschritt.
Drei Tage nach dem Nagelbombenattentat vom 9. Juni 2004 in der Keupstraße in Köln-Mülheim erklärte der damalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), Erkenntnisse deuteten nicht auf einen terroristischen Hintergrund, sondern auf ein kriminelles Milieu hin, d.h. auch hier wurden die Opfer zu Mittätern erklärt. Deutsche Medien verbreiteten Spekulationen: Es handele sich um einen Streit zwischen Russen- und Türkenmafia. Und das, obwohl auf einem Video der Banküberwachung zwei große Männer zu sehen, der eine war blond und ähnelte dem Mitglied des Mördertrios Uwe Mundlos auffallend. Noch im vorigen Jahr wurde der türkische Friseur, vor dessen Geschäft die Nagelbombe explodierte, zur Staatsanwaltschaft in Köln bestellt, weil neue Erkenntnisse über Anschläge zwischen Kurde und Türken vorlägen. Inzwischen wissen wir, dass der Verfassungsschutz nicht Teil der Lösung sondern Teil des Problems ist. Der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen vermutet sogar, dass die Neonazi-Szene in Thüringen immer wieder entscheidende Informationen von einzelnen Personen der Sicherheitsbehörden bekommen haben. Was wundert es da, dass der Thüringische Verfassungsschutzpräsident auf einer Podiumsdiskussion Ende der 1990er Jahre äußerte, dass das Dritte Reich auch positive Seiten gehabt habe, so die „taz“ vom 24.11.2011.
Der Forderungskatalog, der diesen rechtsextremistischen Verbrechen Einhalt gebieten soll, darf sich nicht nur auf die unerlässlichen repressiven Maßnahmen beschränken, denn sie gehen nicht an die Ursachen der rechtsradikalen Taten heran. Natürlich müssen die V-Leute abgezogen und die NPD verboten werden, denn die Honorare der V-Leute und die Wahlkampfkostenerstattung der NPD haben nachweislich zum Aufbau der Kampfgruppen als Vorfeldorganisationen der Terrornetzwerke gedient. Das darf der Staat nicht finanzieren. Auch den Verfassungsschutz als Sündenbock hinzustellen, lenkt vom eigentlichen Problem ab. Nämlich, dass heimliche Sympathien und das Gewährenlassen aus der gesellschaftlichen Mitte kommen. Es muss nach Gründen dafür gefragt werden. Wir lassen Zustände zu, in denen junge Menschen ihre natürliche Sehnsucht nach starken Gefühlen nur noch im Hass gegenüber anderen Menschen, wie Ausländern, sozial Schwachen und unangepassten Menschen ausleben können.
Es muss untersucht werden, an welcher Stelle in der Jugend hätte noch ein Richtungswechsel in den Werten herbeigeführt werden könnten. Es gibt keine geeigneteren Einrichtungen der Prävention als die öffentlichen Schulen. Denn kein Kind kann sich in Deutschland der 10-jährigen Schulpflicht entziehen. Die Schule ist der Ort, in der alle Kinder und Jugendlichen von 6 bis 16 Jahren erreicht werden können. Hier entscheidet sich, welcher Wertorientierung der junge Mensch im späteren Leben folgen wird und somit, wohin sich unser Land entwickelt.
Da muss Geld in die Hand genommen werden, da müssen Lehrer drauf vorbereitet werden, da muss das entsprechende Unterrichtsmaterial an den Schulen vorhanden sein. Das ist auch eine Aufgabe der Landeszentralen und der Bundeszentrale für politische Bildung. Die müssen die Unterrichtseinheiten erarbeiten und den Schulen in entsprechender Auflage kostenlos zur Verfügung stellen. In dem Zusammenhang ist viel weniger bekannt, dass auch die Bundeszentrale für politische Bildung mit 150.000 Euro weniger auskommen muss für die „geistig-politische Auseinandersetzung“ mit rechtsradikalen Einstellungen oder dass bei „Projekten für demokratische Teilhabe und gegen Extremismus in Ostdeutschland“, die Bundesbehörde künftig mit 4,5 statt mit 6 Mio auskommen muss.
Heute wird schon als Erfolg verkauft, dass die Kürzungspläne der Familienministerin Schröder zur Extremismusprävention von 2 Mio der 27 Mio verhindert wurden. Übrigens, die Kürzungen betrafen allein das Programm gegen rechts. Die Forderung muss lauten, dass die Gelder auf 50 Millionen aufgestockt werden müssen. Damit müssen zivilgesellschaftliche Organisationen von der Bundesregierung und den Landesregierungen gefördert werden, wie Informations- und Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus, mobile Beratungsstellen und in den besonders betroffenen Kommunen „Lokale Aktionspläne, wie wir sie hier in Köln einmal drei Jahre mit Erfolg durchgeführt haben. In den Kommunen, wo – wie im Osten – die Jugendarbeit nur noch von den Neonaziorganisationen angeboten werden, müssen diese Aktionspläne verpflichtend sein.
Die schon vorhandenen zivilgesellschaftlichen Strukturen gegen Rassismus müssen dauerhaft finanziell gesichert, ihre Arbeit muss anerkannt werden.
Das Engagement gegen Rechts braucht Anerkennung, die sich in der Finanzierung aber auch Anbindung an vorhandenen Jugendprogrammen dokumentiert. Damit ist auch eine Planungssicherheit für eine längere Zeit gegeben und eine Kontinuität in der Präventivarbeit gesichert.
Die Extremismusklausel muss abgeschafft werden, damit junge Menschen an dem unverzichtbaren Engagement gegen Rechts nicht gehindert sondern ermutigt werden. Rassismus, der bis in die Mitte der Gesellschaft schon weit verbreitet ist, dies zeigen Bezeichnungen wie „Dönermorde“, Türkenmorde, Arbeitsgruppe „Bosporos“, müssen schon im Ansatz bekämpft werde.
Schließen möchte ich mit dem letzten Satz im 10-Punkte Forderungskatalog der Mobilen und Opferberatungsstellen Deutschlands:
Wir wollen eine Gesellschaft, in der alle Menschen gleiche Rechte haben und gleich geschützt werden, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Status und anderen „Merkmalen“.
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