Bilz-Stiftung

Bilz-Preis 2006

Bilz-Preisverleihung am 06. Dezember 2006

Preisträger

Bundesverband Information & Beratung für NS-Verfolgte e.V.

Laudator

Gerhart Baum

Presse

Begrüßungsrede von Fritz Bilz

Sehr geehrte Mitglieder, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Bundesverbandes Information und Beratung für NS-Verfolgte,
sehr geehrter Herr Baum,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich begrüße Sie im Namen der Bilz-Stiftung zur diesjährigen Verleihung des Bilz-Preises. Besonders begrüßen möchte ich die Bürgermeisterin Frau Schoo-Antwerpes, die als Vertreterin von Rat und Verwaltung der Preisverleihung beiwohnt.

Siebter Preisträger ist der Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolgte, der seinen Sitz hier in Köln hat.
Wir hörten gerade den Akkordeonspieler Mark Schneider, den ich auch herzlich in diesen Räumen begrüße. Wir werden ihn an diesem Abend noch mehrmals mit seiner schönen Musik zuhören dürfen.

In einem Bereich gibt es Berührungspunkte mit dem Preisträger, Herrn Baum und meiner Frau und mir. Wir haben uns in der Vergangenheit und auch jetzt für die Interessen der ehemaligen nach Deutschland verschleppten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter eingesetzt; Sie, Herr Baum und der Bundesverband, insbesondere in der Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft, wo Sie die Interessen von Opfergruppen vertraten und noch vertreten.

Meine Frau und ich in der Projektgruppe Messelager, wo wir seit fast zehn Jahren auch die nach Köln eingeladenen ehemaligen Zwangsarbeiter jeweils eine Woche lang betreuen. Eine Aufgabe, die wir gerne übernommen haben und auch weiterhin übernehmen. Dabei wurden wir auch mit der Problematik der Entschädigung aufgrund des Gesetzes zur Entschädigung und der Einrichtung der Bundesstiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft konfrontiert, die sich um die Verwendung der insgesamt 10 Milliarden Euro für ehemalige Zwangsarbeiter kümmerte.

Nur aufgrund der Arbeit der Projektgruppe und der daraus resultierenden Kontakte und Recherchen konnte das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln im Rahmen des Besuchsprogramms 357 Gäste bei ihrer Antragstellung unterstützen und auf Anfragen rund 2.000 Anspruchsberechtigten Bescheinigungen ausstellen. Ohne diese hätten diese Menschen keine Entschädigung erhalten.

Wir sind froh, dass von über 10 Millionen Zwangsarbeiterinnen und Zwansgarbeitern nach 60 Jahren wenigstens 1.6 Millionen der verschleppten Menschen Zahlungen aus dem Fonds der Stiftung erhalten haben. Aber es wurden von den insgesamt 2.3 Millionen gestellter Anträge 700.000 abgelehnt. Jeder dritte Antrag wurde somit negativ beschieden. Darüber hinaus wissen wir, dass viele Betroffene wegen Fehlinformationen und Beweisnot keinen Antrag gestellt oder verspätet eingereicht haben. Ihnen wurde der Ablehnungsbescheid mit der Begründung „Fristversäumnis“ zugestellt.

Das kennen wir doch.
„Einmal muss Schluss sein“, sagten 1960 viele Kriegsverbrecher. Für sie waren ihre Taten verjährt.
„Einmal muss Schluss sein“, sagen jetzt die Firmen, die von 1939 bis 1945 an der Zwangsarbeit von über 10 Millionen Menschen verdient haben und meinen, dass sie mit der Gründung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ ihren Beitrag zur Abwicklung dieses Unrechts geleistet hätten.

Die Stiftung hat entschieden: „Anträge auf Leistungen nach dem Stiftungsgesetz können nicht mehr gestellt werden“. Die Verjährung läuft am 31. Dezember 2006 aus.
Schon 1945/46 stellten die Richter des Nürnberger Gerichtshofes fest: Zwangsarbeit gehört zu den Verbrechen, die nicht verjähren.

Wie kann den Menschen, die die Folgen der Zwangsarbeit am eigenen Körper spürten, vermittelt werden, dass das, was sie erlitten und weiterhin erleiden, verjährt sei? Ich weiß nicht wie wir bei der Betreuung der nächsten Gäste dies den nach hier verschleppten, gequälten und ausgebeuteten Frauen und Männern vermitteln sollen.

Da ist die Polin Frau Jaroslawa B., die während des Krieges mit ihren Eltern und zwei Schwestern aus Cielaz in Polen nach Deutschland verschleppt wurde. Am 11. Juni 1946 hat sie ihren Mann – ebenfalls ein Pole – im Lager für „Displaced Persons“ – ein anderes Wort für Verschleppte – in Köln-Mülheim geheiratet. Dort waren nur Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter untergebracht. Einen anderen Nachweis hat sie nicht. Wie so viele. Wenn es um das nackte Überleben geht, denkt man nicht gerade daran, über alles Buch zu führen und alle Dokumente aufzuheben. Da hat man nur noch als einzige Habe die Klamotten die man am Leib trägt.

Wegen ihrer Gesundheit konnte sie im Mai dieses Jahres nicht nach Köln kommen, um dort auf Einladung der Stadt zusammen mit Mitgliedern der Projektgruppe Messelager den oft schwierigen Gang vor Ort in die Erinnerung anzutreten. Diese Erinnerungsarbeit ist oft die einzige Grundlage für einen Nachweis ihrer Zwangsarbeit. Ihr Antrag auf Anerkennung als Zwangsarbeiterin wurde von den zuständigen Stiftungen als unbegründet abgelehnt. Durch unsere Betreuungsarbeit an fast 400 ehemaligen Zwangsarbeitern in Köln wissen wir:
Der Krieg wurde auch auf der Grundlage der Sklavenarbeit von damals jungen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern geführt. Diese mussten die Arbeit der Männer machen, die zuvor Soldaten geworden waren und haben Waffen und andere kriegswichtige Waren hergestellt.

Diese erlittenen Ausbeutungen, Verschleppungen, Qualen sollen jetzt verjähren?
Das Schlimme ist, es ist noch Geld bei allen Opferverbänden vorhanden. Dies soll jetzt allerhöchstens noch für die laufende medizinische Notversorgung ausgegeben werden. Ansonsten soll das Restgeld in die Erinnerungsarbeit gesteckt werden. Nicht zuletzt deshalb soll der Stiftungsnamen jetzt umgewandelt werden in „Erinnerung und Zukunft“. Die Verantwortung soll gestrichen werden.
Das darf nicht geschehen, das ist unmenschlich den ehemaligen Sklavenarbeitern gegenüber.
Ich bitte Sie, alle Anwesende, auch Sie Frau Bürgermeisterin und Sie Herr Baum, helfen Sie mit, den Kampf gegen die Verjährung von NS-Zwangsarbeit zu führen.

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