Bilz-Stiftung

Bilz-Preis 2021

Bilz-Preisverleihung am 21. Oktober 2021

Preisträger

Pamoja Afrika e.V.

Laudatorin

Nanette Snoep

Bilder

Presse

Begrüßungsrede von Fritz Bilz

Sehr geehrte Frau Batemona Abeke,

sehr geehrte Frau Museumsdirektorin Snoep,

lieber Werner Jung,

sehr geehrte Damen und Herren,

 

ich möchte Sie im Namen der Bilz-Stiftung herzlich begrüßen.

Dir, lieber Werner Jung, möchte ich für die langjährige Gastfreundschaft Deines Hauses, des NS-Dokumentationszentrums Köln, ganz herzlich danken. Wir waren mit unserer Preisverleihung aber auch mit unseren Vorstandssitzungen hier immer willkommen.

Außerdem möchte ich Dir für Deine fast 15-jährige Mitgliedschaft im Vorstand der Bilz-Stiftung danken. Du hast uns immer mit Rat, mit konstruktiven Vorschlägen in unserer Arbeit weitergebracht. Mancher Preisträger, manche Preisträgerin konnte den Bilz-Preis oder einen der zahlreichen Förderpreise nur erlangen, weil Du sie vorgeschlagen hast.

Mit Deinem Ausscheiden aus dem NS-Dokumentationszentrum wegen Erreichung der Altersgrenze legst Du auch selbstbestimmt die Mitgliedschaft im Vorstand der Bilz-Stiftung nieder. Nach unserem Selbstverständnis möchten wir Deine Nachfolgerin bzw. Deinen Nachfolger in den Vorstand der Bilz-Stiftung berufen. Gewerkschaftsarbeit und Aufarbeitung der NS-Zeit waren für meine Frau und mich immer die beiden Standbeine unserer Arbeit. Und so ist es auch folgerichtig, dass wir je einen Vertreter oder eine Vertreterin von DGB und NS-Dok im Vorstand haben wollen. Das soll auch so bleiben. Wir wünschen Dir, lieber Werner, für die Zukunft alles Gute, besonders Gesundheit und die Kraft in Deiner geliebten Berufung als Historiker noch lange kreativ tätig zu sein.

Ich möchte nun in meiner Rede mehrere Gesichtspunkte ansprechen, die etwas mit unserem diesjährigen Preisträger, Pamoja Afrika, zu tun haben.

Dass heute immer mehr Menschen aus Afrika in Köln aber auch in Deutschland in der Öffentlichkeit sichtbar werden, hat hauptsächlich mit dem Umgang der restlichen Welt mit Ressourcen, Handelsverträgen, mit Ausbeutung aber auch mit historischen Grenzziehungen zu tun. Die Menschen, die heute aus Afrika zu uns kommen, sind Armutsflüchtlinge. Der diskriminierende Begriff „Wirtschaftsflüchtlinge“ gilt meines Erachtens für die Leute und Unternehmen, die Deutschland verlassen, um im Ausland weniger Steuern zu zahlen. Namen wie Boris Becker, Franz Beckenbauer und Konsorten sind Beispiele dafür. Sie sind Sozialschmarotzer, sie wollen unsere Sozialsysteme nutzen, dafür aber nicht bezahlen.

Die Politiker reden immer davon, die Ursachen der Fluchtbewegungen zu bekämpfen. Dann steigen wir einmal ein in die wirklichen Ursachen der Armutsflucht.

Eins der Grundübel ist die Politik der Welthandelsorganisation (WTO), des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank. Sie nutzten die Schuldenkrise der afrikanischen Länder – oft selbst verursacht, aber auch aufgrund fallender Rohstoffpreise – , um ihnen die Bedingungen für weitere Kredite zu diktieren. Kredite, die dringend notwendig für die darbenden Länder waren. Diese Länder wurden gezwungen, ihre Wirtschaft zu deregulieren. Konkret hieß das z.B. Umweltstandards radikal zu senken. Sie wurden gezwungen, Betriebe zu privatisieren, insbesondere diejenigen, die noch Gewinne abwarfen, um den Staatshaushalt zu entlasten. Gekauft haben diese oft für billiges Geld ausländische Konzerne. Dadurch mussten noch mehr Schulden beim IWF aufgenommen werden, ein Teufelskreis.

Weiterhin mussten alle Länder die Massensteuern – so die Mehrwertsteuer – drastisch erhöhen und im Gegenzug die Unternehmenssteuern senken, was insbesondere ausländischen Konzernen zu Gute kam. Viele Vorhaben – insbesondere internationaler Konzerne – wurden von der Weltbank finanziert. Man geht davon aus, dass rund 3,4 Millionen Menschen in Afrika durch die Weltbank finanzierten Vorhaben ihrer Lebensgrundlage beraubt wurden.

Eine weitere Ursache für den Anstieg der Armut in Afrika und der daraus resultierenden Flucht sind die Freihandelsabkommen mit Afrika. Zehn Jahre – von 2004 bis 2014 – haben sich viele afrikanische Länder insbesondere aus Ost- und Mittelafrika gegen ein Wirtschaftsabkommen mit der EU gewehrt. Dann ging der Wirtschaftskrieg der EU los. Exportprodukte einzelner besonders hartleibiger afrikanischer Länder wurden ab 1. Oktober 2014 mit bis zu 30 Prozent Importzöllen nach Europa belegt, z. B. Schnittblumen, Bohnen, Kaffee. Nun knickten auch diese Länder ein. Schon vorher waren durch ähnliche Erpressungen der EU die west- und südafrikanischen Länder eingeknickt. In diesen Abkommen wurden alle Importzölle für europäische Produkte verboten. Aber das Mittel des Importzolls ist eigentlich lebensnotwendig, um einheimische Produkte – insbesondere im Agrarbereich – konkurrenzfähig zu machen. Die EU wendet diese Zölle selbst aber weiterhin an, so gegenüber China, um die heimische Photozellenproduktion konkurrenzfähig zu halten, um nur ein Beispiel zu nennen.

Durch diese Freihandelsabkommen mit Afrika werden dort die Säulen der einheimischen Wirtschaft zerstört, insbesondere die Landwirtschaft aber auch die eigene oft kleine Industrieproduktion.

Wie sich das konkret auswirkt, möchte ich einmal aufzeigen. Hochsubventionierte europäische agrarische Überschussprodukte überschwemmen den afrikanischen Markt: Milchpulver, Hähnchenteile, Schweinefleisch, Tomatenmark. Durch deren Niedrigpreise werden die heimischen Produzenten aus dem Markt gedrängt.

So hat sich der Import von subventioniertem Schweinefleisch aus der EU nach der Elfenbeinküste in den letzten zehn Jahren versechsfacht. Die heimische Produktion ist tot. 2014 wurden allein in Westafrika 300.000 Tonnen subventionierte Hähnchenteile aus der EU – übrigens hauptsächlich aus Deutschland – importiert. Dabei erhalten die europäischen Erzeuger bis zu 30 Cent pro Kilo an Subventionen.

Durch die europäische Subventionspolitik wird die Produktion dieser Überschüsse noch angeheizt und somit ständig gesteigert. Neue Absatzmärkte sind ja in Afrika vorhanden und müssen noch ausgebaut werden.

Aber es geht noch weiter: Subventionierte europäische Fabrikschiffe fischen die Meere vor der westafrikanischen Küste leer und treiben die heimischen Fischer in den Ruin. Somit geht z. B. Senegal eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel und Exportgüter verloren.

Seit neuestem gibt es eine andere Variante: „Cash for fish“. Gegen Geld dürfen europäische Trawler vor Westafrika rund 200 Tonnen Fisch am Tag fangen und verarbeiten. Die Fischbestände sind inzwischen so geplündert, dass tausende Fischer und Beschäftigte in der Weiterverarbeitung arbeitslos sind. Manche Fischer haben in ihrer Not andere Geschäftswege entdeckt. Ihre Fischerboote transportieren gegen Geld Landsleute, die verzweifelt ihr Land verlassen wollen. Wer kann es ihnen verdenken.

Ein weiteres Feld sind die in Europa gesammelten Kleiderspenden. Diese werden kubikmeterweise in Afrika an Händler verkauft, die die Klamotten einzeln verhökern. Sie zerstören durch ihre geringen Preise die afrikanische Textilproduktion. Waren in den 1980er Jahren in Kenia noch rund 500.000 Menschen in der Textilindustrie beschäftigt, damals gab es Einfuhrzölle für ausländische Textilien, sind es heute nur noch etwa 20.000.

Neben diesen Hauptursachen der Migration aus den afrikanischen Ländern kommt als weiteres die sich immer stärker abzeichnenden Auswirkungen des Klimawandels. Dadurch

breiten sich die afrikanischen Wüstengebiete immer weiter nach Süden aus. Durch Dürren geht immer mehr landwirtschaftliche Fläche verloren. Die Nomaden werden mit ihren Herden immer weiter nach Süden getrieben und kommen zwangsweise in Konflikt mit den Agrarbetrieben. Das führt zu Stammesauseinandersetzungen aber auch zur Aufgabe des Nomadenseins. Einziger Ausweg ist immer öfter die Flucht nach Europa.

Eine weitere gerade in den letzten Jahren zunehmende Gefahr für die afrikanische Bevölkerung ist das sogenannte „Land grabbing“. In den letzten zehn Jahren wurden in Afrika rund 200 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Fläche internationalen Konzernen oder auch Ländern wie China oder Saudi Arabien überlassen. Das ist eine Fläche, die sechs Mal so groß ist wie Deutschland. Soweit die tatsächlichen Ursachen, die es zu bekämpfen gilt, wenn man die Fluchtbewegung aus Afrika stoppen will.

Nun sind diese Menschen aber hier und werden weiter zu uns kommen, ob wir das wollen oder nicht. Und worauf treffen sie? Auf einen tiefsitzenden Rassismus, der sich in fast 150 Jahren in Deutschland tradiert hat. Er entstand in der Zeit des deutschen Kolonialismus, als 1884 in der vom deutschen Kaiserreich ausgerichteten sogenannten „Afrikakonferenz“ in Berlin beschlossen wurde, Land in Afrika als sogenannte Kolonien zu besetzen und die Ursprungsbesitzer zu enteignen, die ansässige Bevölkerung zu versklaven und, wenn sie sich wehrten, zu ermorden. Mir dieser Politik einher ging ein Rassismus, der diese Menschen als Gegenstände betrachtete und sie zur Handelsware machte. Sie waren Menschen einer sogenannten minderwertigen Rasse.

Die Nazis brauchten nur auf dieser Rasseidee aufzubauen und sie um den mörderischen Holocaust zu erweitern. Dieser Rassismus ist ein Konstrukt der weißen Mehrheitsgesellschaft.

Heute ist es in der Ethnologie und Medizin Lehrmeinung, dass es keine Rassen bei den Menschen gibt. Trotzdem hat dieser über Jahrhunderte tradierte und von den Nazis weiter benutzte Begriff sogar Eingang in unser Grundgesetz gefunden. Alle Versuche diesen Begriff endlich aus unserer Verfassung zu streichen, scheiterte bisher an der CDU/CSU. Es wird Zeit in einer breiten Volksbewegung diesen Menschen diskriminierenden Begriff aus unserem Grundgesetz zu tilgen. Dazu gehört eine uneingeschränkte Aufarbeitung der kolonialen Geschichte der deutschen weißen Gesellschaft, die Auseinandersetzung mit neokolonialen Machtstrukturen und des daraus resultierenden Rassismus.

Bisher wird dieser Rassismus oft nicht wahrgenommen, ignoriert, verharmlost oder verleugnet. Rassismus gehört heute immer zur alltäglichen Erfahrung auch der aus Afrika zu uns gekommenen Menschen. Dies geschieht bei der Wohnungssuche, beim Arbeitsmarkt, im Bildungssystem und beim Racial Profiling bei der Polizei oder den Behörden.

Den Rassismus zu bekämpfen ist vor allem Aufgabe der weißen Gesellschaft. Dabei ist die Expertise der von Rassismus betroffenen Menschen einzubeziehen. Die Gesellschaft aber auch jeder Einzelne haben die Verantwortung, Rassismus und Diskriminierung abzubauen, Solidarität anzubieten und betroffene Menschen zu schützen. Wir alle sind gefordert!

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Urkundentext

Seit über 15 Jahren hat sich der Verein Pamoja Afrika in Köln zur Aufgabe gemacht, Antirassismus-, Antidiskriminierungs- und Unterstützungsarbeit für Menschen der afrikanischen Community zu leisten, die oft mit traumatischen Fluchterfahrungen in Deutschland angekommen sind. Die Gesellschaft soll dabei sensibilisiert werden für eine rassismuskritische Auseinandersetzung mit oft tief sitzenden Vorurteilen gegenüber Menschen aus anderen Kulturkreisen.

Der Verein Pamoja Afrika leistet damit einen herausragenden Beitrag zur Völkerverständigung.

Presseerklärung

Die 1998 in Köln gegründete Bilz-Stiftung zeichnet jährlich eine gemeinnützige Initiative aus, die sich entweder der Völkerverständigung widmet, sich für politisch, rassisch oder religiös Verfolgte einsetzt oder sich gegen die Diskriminierung von Minderheiten wehrt. Seit Gründung sind somit weit über 150.000 Euro an Fördergelder vergeben worden.

 

Der Vorstand der Bilz-Stiftung hat beschlossen, im Jahre 2021 den Bilz-Preis in Höhe von 5.000 Euro an den Verein Pamoja Afrika mit Sitz in Köln zu verleihen.

 

Die Bilz-Stiftung möchte damit deren Antirassismus-, Antidiskriminierungs- und Unterstützungsarbeit für Menschen der afrikanischen Community bestärken, die oft mit traumatischen Fluchterfahrungen in Deutschland angekommen sind. Dabei möchte der 2004 gegründete Verein die hier lebenden Menschen sensibilisieren für eine rassismuskritische Auseinandersetzung mit oft tief sitzenden Vorurteilen gegenüber Menschen aus anderen Kulturkreisen.

 

Pamoja Afrika leistet damit einen herausragenden Beitrag gemäß der in der Satzung der Bilz- Stiftung festgelegten Ziele im Kampf gegen Rassismus und für Völkerverständigung

Der Preis soll Unterstützung für die zukünftige Arbeit sein.

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